„In China hat die NZWL noch viel vor“

Die Leipziger NZWL lädt einmal mehr gegen Jahresende zum Umtausch in eine Folgeanleihe. Unterfüttert wurde das aktuelle Vorhaben mit robusten Geschäftszahlen. Zeit also für ein Update mit CEO Dr. Hubertus Bartsch.

BondGuide: Herr Dr. Bartsch, wie läuft es denn aktuell bei einem Automobil zulieferer, dessen größter Kunde nach
wie vor der Volkswagen-Konzern ist?
Bartsch: Es könnte natürlich stets besser laufen, aber wir leben derzeit ja auch in spannenden Zeiten. In den vergangenen Jahren kamen stets neue Themen auf den Tisch, zuletzt eben besagte Debatte um Gegenwart und Zukunft von Volkswagen.
BondGuide: Die verfolgen Sie natürlich. Und inwiefern betrifft der weitere Werdegang sicherlich nicht nur, aber doch auch die NZWL?
Bartsch: Bei der Diskussion geht es um den Kern der VW-Gruppe, also Volkswagen selbst. Einzelne Standorte in
Deutschland sollen reduziert oder vielleicht sogar geschlossen werden. Die avisierten Absatzzahlen für Elektromobilität haben sich bei keiner Marke auch nur annähernd manifestiert, und ein Subventionsstopp für E-Autos in Deutschland spricht auch nicht gerade für eine baldige Trendwende. Also bleibt es doch noch länger bei Verbrennern, wie viele Hersteller inzwischen auch haben verlauten lassen.
BondGuide: Als ein führender Produzent von Synchronisierungen für Doppelkupplungsgetriebe ist das aber keine wirklich schlechte Nachricht für die NZWL.
Bartsch: Grundsätzlich haben Sie damit Recht. Wenn Sie sich an unsere Gespräche in den letzten Jahren erinnern, dann war ja unsere ursprüngliche Planung, sowohl mit den Getrieben im verbleibenden Verbrennermarkt solide zu wirtschaften als auch von wachsenden Abrufzahlen bei Themen rund um die E-Mobilität zu profitieren. Dem entsprechend waren bei uns die Weichen für beide Gleise bereits frühzeitig gestellt. Jetzt zeigt sich, dass man auf
dem einen kaum vorankommt oder sogar zurückrollt, was die NZWL jedoch nicht ins Stocken geraten lässt.
BondGuide: Forciert der Stand um VW die Notwendigkeit, sich bei den Auftraggebern noch viel weiter zu diversifizieren?
Bartsch: Nein, ganz und gar nicht, denn wir profitieren bereits von einer hohen Diversifikation nach Marken. Wir müssen nämlich unterscheiden zwischen der Kernmarke Volkswagen und dem dahinterstehenden Konzern mit rund einem Dutzend Marken. Sämtliche Marken agieren in den regionalen Märkten als komplett eigenständige Kunden der NZWL mit getrennten großvolumigen Aufträgen. Die Umsätze aus den Linien für E-Autos kommen nun später, wie auch die Kammlinie ihrer maximalen jährlichen Stückzahlen. Das ist für uns jedoch kein Problem, da wir weiterhin mit Synchronisierungen für Autos mit Verbrennermotoren wachsen können. Und im Übrigen: In China läuft es derzeit durchaus gut, eher am oberen Ende unserer Kapazitäten, sowohl mit Volkswagen als auch mit Great Wall Motor. Die NZWL ist also bereits gut diversifiziert hinsichtlich Marken, Ländern und Antriebsarten. BondGuide: Dennoch, wie sehr verfolgen Sie, was in Wolfsburg für weltweit beschlossen wird?
Bartsch: Wir verstehen die Problemstellung für Volkswagen sehr wohl. Es geht um nicht weniger, als die Kernmarke wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Als Zulieferer strecken wir uns im gemeinsamen Interesse stets bis an die Decke, wenn es notwendig ist. Schließlich sind damit auch Chancen verbunden, wenn der Hauptkunde kurzfristig einschneidende, aber mittel- und langfristig weichenstellende Entscheidungen trifft, die uns dann wiederum auch zugutekommen.
BondGuide: Also erst einmal kein Hurra mehr auf die Elektromobilität?
Bartsch: Zumindest nicht im ursprünglich geplanten Zeitrahmen. China hat inzwischen die Marktführerschaft
übernommen, gilt mittlerweile als führend in nicht allen, aber ziemlich vielen Belangen. Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa wurde abgehängt. Aus meiner Sicht sollte China kein Vorwurf dafür gemacht werden, dass sie
ihren E-Auto-Absatz ankurbeln. Im Kern wollen sie ihre Wirtschaftsleistung wieder auf Trab bringen –und Autos sind nun mal ein großes und wichtiges Wirtschaftsgut.
BondGuide: Woher die Sorge vor Gegen-Strafzöllen für unsere heimischen Pkw-Hersteller? Die widersprachen ja den Plänen der Ampelregierung.
Bartsch: Für die heimischen und europäischen Hersteller ist es wichtig, durch Zölle nicht vom chinesischen Markt
ausgeschlossen zu werden, sondern andessen Marktwachstum weiter teilhaben zu können. Das ist allemal mehr,
als hierzulande durch Subventionierung von Elektrofahrzeugen mit Absatzzahlen im unteren Prozentbereich weiter auf eine zeitnahe Beschleunigung zu warten. Vermutlich auch aus diesem Grunde haben sie sich gegen Strafzölle auf chinesische E-Autos ausgesprochen. Für uns ist entscheidend, dass wir so oder so in diesem Geflecht und dieser Gemengelage verschiedener Interessen weiterhin gut aufgestellt bleiben. Hier kommt uns auch zugute, dass wir in unseren Werken in der Slowakei und in China nicht etwa günstig für Leipzig produzieren und dann in alle Welt verschicken, sondern in China hauptsächlich für den chinesischen Markt produzieren.
BondGuide: Wie man ja auch an den Halbjahreszahlen sieht: Die NZWL ist gewachsen bei allen wichtigen Kennzahlen, aber eben nicht so, wie man hätte können, wenn man Sie gelassen hätte. Ungefähr treffend zusammen
gefasst?
Bartsch: Die Halbjahreszahlen belegen, dass wir gut aufgestellt sind und unsere Projekte erfolgreich realisieren. Ein
Umsatzwachstum von 6,2% auf 85,7 Mio. EUR und eine EBITDA-Steigerung von 11,5% auf 10,7 Mio. EUR zeugen von einem sehr erfreulichen Geschäftsverlauf – vor allem in Anbetracht der anhaltenden Herausforderungen. Entsprechend zuversichtlich blicken wir auch auf unsere zukünftige Entwicklung. Neben dem weitestgehend stabilen Bestandsgeschäft werden wir auch von einem Neuauftrag eines langjährigen internationalen Kunden im Nutzfahrzeugbereich profitieren, der einen Start der Serienproduktion bereits ab bis 2029 läuft. Zusätzlich wurden wir für 2025 mit einer Volumenerweiterung für den Modularen E-Antriebs-Baukasten, MEB, von VW beauftragt. Für die erfolgreiche Umsetzung dieser Neuaufträge können wir auf unsere in diesem Jahr um insgesamt 20% erweiterten Produktionskapazitäten in Leipzig und der Slowakei zurückgreifen.
BondGuide: In die neue Anleihe wird nun zum Umtausch geladen aus der von 2018 sowie aus der von 2019. Letztere notiert bei 93%. Könnte das ein Problem für das Umtauschangebot sein?
Bartsch: Aus unserer Sicht bieten wir ein attraktives Umtauschangebot. Die Umtauschenden erhalten je umgetauschter Schuldverschreibung einen Bonus von 20 EUR, die aufgelaufenen Stückzinsen und eine neue mit 9,75% p.a. verzinste Schuldverschreibung – im Vergleich zu jeweils 6,5% p.a. zuvor. Wir haben festgestellt, dass Anleger die NZWL als zuverlässigen Emittenten schätzen und nicht zuletzt deshalb auch gern wieder in eine neue Anleihe wechseln. Zusätzlich sollte man auch unsere Entwicklung sehen: Mittlerweile haben wir Darlehen an chinesische Banken zurückgeführt und Cashflow aus unserem dortigen Werk nach Leipzig geholt – natürlich nur in einem begrenzten Umfang, damit die Behörden dort nicht denken, dass wir unser chinesisches Werk schwächen. Denn das tun wir nicht: Schließlich haben wir in China noch viel vor.
BondGuide: Herr Dr. Bartsch, damit fühle ich mich einmal mehr ganz aktuell auf dem Laufenden – wie gewohnt
auch Ihnen bei der neuen Platzierung viel Erfolg!
Das Interview führte Falko Bozicevic.

Quelle: bondguide-21-2024.pdf