Nach über anderthalb Jahren seit Beginn der Coronapandemie lässt sich inzwischen feststellen, dass die Kapitalmärkte und deren Teilnehmer um einige Krisenerfahrungen „reicher“ geworden sind. Mit den steigenden Impfquoten kommt bei manchen die Hoffnung auf, dass eine Normalisierung der allgemeinen Lage bevorstehen könnte. Dennoch lässt sich – zumindest als Zwischenfazit – feststellen: Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sind längst im KMU-Anleihemarkt sichtbar geworden. Die Anzahl der Gläubigerversammlungen hat sich spürbar erhöht, einige Gesellschaften haben es nicht rechtzeitig geschafft, ihre „Schäfchen“ ins Trockene zu bringen, und waren von etwaigen Fälligkeiten ihrer Bonds bzw. Covenant-Brüchen anderer Finanzierungsformen (beinahe über Nacht) „überrascht“ worden.

Ob dies nur an der Coronakrise oder an einer grundsätzlichen Schwäche der Finanzierungsstruktur liegt, muss jedes Unternehmen wohl mit sich selbst ausmachen. Dass Krisen die Unternehmen zuerst treffen, welche – bilanziell betrachtet – „schwach“ besohlt sind, ist keine Neuigkeit. Aber auch die KMU Emittenten, welche es bis heute, vielleicht auch aufgrund nicht unmittelbar bevorstehender Fälligkeiten, ohne AGV oder Ausfall geschafft haben, werden es nach Corona nicht leichter haben.

Inflation frisst Rendite – was tun?
Höhere Verschuldungsfaktoren durch kürzlich aufgenommene Staatshilfen und niedrigere Eigenkapitalquoten dank
hoher Verluste im Jahr 2020 sorgen für unattraktivere Bilanzbilder, welche über kurz oder lang so nicht mehr tragbar sein werden – u.a. die Kollegen des KMU-Beraterverbands haben ihre Einschätzungen zum Thema StaRUG dankenswerterweise bereits ausgeführt. Nichtsdestotrotz können wir auf breiter Front Kurserholungen und damit einhergehende niedrige Renditen bei ausreichender Liquidität im Markt feststellen.
So notieren SOWITEC und hep global an oder sogar über 104% (Betrachtungszeitpunkt: Mitte September 2021),
Noratis begibt erfolgreich eine Folgeanleihe und selbst Anleihen, welche vor der Pandemie ausgegeben wurden und zum Teil stark unter Druck gerieten, stehen wieder auf oder knapp über pari – wie etwa NZWL oder Schlote Holding. Wie lange dies allerdings noch der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.

Derweil zeigen sich hierzulande die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie aktuell in Form einer kurzfristig stark steigenden Inflationsrate und einer sich anschließend auf erhöhtem Niveau (2 bis 3%) haltenden Geldentwertung.
Weiterhin wird erst 2024 mit einer Anhebung des Einlagezins sowie des Leitzinses der EZB gerechnet.
Dadurch wird inn Deutschland sowie in anderen überwiegend europäischen Ländern und Industrienationen bei den „risikofreien“ Anlageklassen weiterhin eine negative Realverzinsung existieren. Nun stellen sich die Investoren die Frage, in welche Anlagemöglichkeiten ausgewichen werden kann, um zukünftig Rendite mit einem angemessenen Chance-Risiko-Verhältnis zu generieren. Europas sowie der deutsche Immobilienmarkt gelten als überhitzt und
Anleihen guter Bonität (Staaten) befinden sich auf oder nahe historischer Renditetiefs. Das Geld liegt, salopp gesagt, auf der Straße, Ökonomen sprechen von einer Geldschwemme – die historisch starke Entwicklung globaler
Aktienindizes sind die stummen Zeugen dieser Situation. Im aktuellen Marktumfeld stellen Aktien die beste Möglichkeit dar, Gelder inflationsgeschützt und rentabel anzulegen. Doch Aktien sind und können nicht die einzige Möglichkeit der Kapitalanlage sein. Fonds, Assetmanager und Investoren, welche keinem Zwang der Mündelsicherheit unterliegen, streben nach einer Diversifikation ihrer Portfolios, um ein auch nach Abzug einer Inflationsrate angemessenes Chance-Risiko-Verhältnis zusichern.

Renditeeffekt durch (adjustierte) KMU-Anleihen?
An dieser Stelle kommen Anleihen deutscher KMU möglicherweise wieder auf den einen oder anderen Radar
zur Ergänzung der Portfolios. Die Finanzinstrumente mit fixen Kupons sind bei den Investoren durch die Pandemie
bereits in der Attraktivität gestiegen, da sie reine Aktiendepots um abweichende Renditestrukturen erweitern. Sie werden aber bei zunehmender Inflation gegenüber Aktien wieder an Beliebtheit einbüßen. Eine nahe liegende Entwicklung wäre eine Zunahme von inflationsgesicherten Anleiheemissionen, um diese Problematik auszugleichen. Doch dies wird sicher nicht im Sinne aller Emittenten sein. Möglicherweise kann man einige Emittenten aus der Immobilienbranche hierzu begeistern, da sich die Immobilien in der Preisentwicklung der Inflationsrate
zumindest anpassen werden. Unternehmen aus anderen Sektoren wird dies schwerer fallen, da häufig ein Inflationsausgleich erst durch Preisverhandlungen mit den Kunden erwirkt werden kann.
Einen höheren Anleihezinssatz als der aktuell marktübliche von 5,0 bis 7,0% p.a. ist jedoch auch schwer vorstellbar, da zum einen die Zinsen am Finanzierungsmarkt weiterhin niedrig bleiben und zum anderen KMU im Falle steigender Kuponerwartungen andere Finanzierungsmöglichkeiten vorziehen werden. Schließlich müssen die Unternehmen auch nach der Pandemie die Zinsen erst (noch) erwirtschaften.

„Natürlich wird es
auch in der Zukunft
Unternehmen geben,
die zwingend auf den
Kapitalmarkt als
Finanzierungsquelle angewiesen sein werden.“

Natürlich wird es auch in der Zukunft Unternehmen geben, die zwingend auf den Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle angewiesen sein werden – sei es wegen des Verschuldungsgrades oder der Finanzierungsstruktur. Doch wir haben festgestellt, dass der Grund der Finanzierung über Anleiheemission oftmals von anderen Kriterien abhängig ist, wie beispielsweise Geschwindigkeit der Finanzierung oder Planbarkeit der Mittelverwendung. Ob Investoren indes aufgrund des beschriebenen Spannungsfelds „Inflation-KMU-Bilanz (post Corona)“ noch bereit sind, nahezu ausschließlich unbesicherte Anleihen mit fixem Kupon zu zeichnen, bleibt abzuwarten.

Auf den „Wandel“ setzen
Es ist davon auszugehen, dass zukünftig einige Emittenten entweder den Weg des bereits genannten StaRUG einschlagen (müssen) oder sich alternativ mit niedrigeren Zinsen und längerer Laufzeit durch Gläubigerversammlungen etwas Luft verschaffen werden. Ob und wie lange dies mit den Investoren noch zu machen
sein wird, ist jedoch mehr als fraglich. Es kann sicherlich nicht davon ausgegangen werden, dass sich alle Emittenten ceteris paribus mit einer Abfindungsquote von 12,5% aus der Schlinge ziehen können. Von dieser Entwicklung ausgehend kann durchaus erwartet werden, dass (seriöse) KMU-Emittenten vermehrt in Richtung eines eigenkapitalnäheren Anleiheprodukts denken werden, um die Attraktivität der Kapitalleihe aufrechtzuerhalten. Einige Emittenten mischen diese Art der Finanzierung bereits heute ihren Bemühungen bei: So hat beispielsweise Eyemaxx aktuell für gut 4 Mio. EUR eine Wandelanleihe angeboten – Vorgänger wie The Grounds Real Estate (Wandelanleihe) und Traumhaus (Kapitalerhöhung) hatten es im KMU-Segment bereits
erfolgreich vorgemacht. Im Endeffekt sind eine Vielzahl an KMU Emittenten „klassische“ eigentümer und/oder familiengeführte GmbHs, welche noch gar nicht die Rahmenparameter für einen solchen Weg geschaffen
haben. Insofern bleibt abzuwarten, wie zügig einige Unternehmen die Rechtsform der AG annehmen werden, um für
den Fall der Fälle gerüstet zu sein. Eine Anleihe mit annehmbarem Kupon und der Möglichkeit, in Aktien des Unternehmens zu wandeln, bietet unseres Erachtens viele Vorteile und lässt die Tatsache fehlender Sicherheiten, höherer Verschuldung und aktuell niedrigen Eigenkapitals fast schon nebensächlich erscheinen.

Fazit
Schlussendlich wird zukünftig zu beobachten sein, ob die Unternehmen den neu geschaffenen StaRUG- resp. AGV Weg gehen werden, um jeweils zu prüfen, wie ihre Investoren reagieren werden. Oder aber es setzt sich ein kooperativer Stil durch, bei dem Investoren – statt diese zu einem Verzicht zu überreden – eine Beteiligung am Unternehmen angeboten wird, um auch in einer normalisierten Marktsituation auf den Kapitalmarkt
zurückgreifen zu können. Insofern findet sich hier ebenfalls – wenn auch auf andere Weise – der prägende Trend hin zur Nachhaltigkeit.

Quelle: Bondguide Jahresausgabe 2021, Green & Sustainable Finance 2021, S. 48-50

Green & Sustainable Finance 2021 (bondguide.de)