„Der KMU-Anleihebereich ist noch immer eine echte und sinnvolle Finanzierungsalternative für unsere Kunden“

In einem Jahr, das nicht nur von globalen Herausforderungen dominiert wurde, kam es erwartungsgemäß auch am heimischen Markt für KMU-Anleihen zu der einen oder anderen Entgleisung – mitunter auch zu vereinzelten Havarien. Robin Ernst, Prokurist bei Lewisfield Deutschland, ordnet die aktuelle Gemengelage im BondGuide-Gespräch ein, identifiziert aktuelle und künftige Trendthemen und mahnt eine stringente und transparente Kommunikation im Set-up einer jeden Emission als das A und O für eine erfolgreiche Kapitalmarkttransaktion an.

BondGuide: Herr Ernst, ein in vielerlei Hinsicht herausforderndes Jahr geprägt von ausufernder Inflation, Energiekrise, latenten Rezessionsängsten und anhaltendem Kriegstreiben in Osteuropa und jetzt im Nahen Osten nähert sich seinem Ende. Wie lautet in Anbetracht dieser Gemengelage Ihr vorzeitiges Fazit – u.a. auch im Hinblick auf Anleihe- und Mittelstandsfinanzierung?

Ernst: Wir sehen seit nunmehr knapp zwei Jahren eine globale Veränderung. Ihrer Liste der Herausforderungen könnte man problemlos noch weitere Themen hinzufügen. Denken wir z.B.
an die Situation an den Immobilienmärkten und bei den Projektentwicklern, an die zunehmenden Risiken in China – die Stichworte sind hier stockender wirtschaftlicher Aufschwung
sowie die Taiwanfrage – oder die aktuelle globale Zinsentwicklung. Derzeit bieten sogar Staaten Anleiherenditen von über 5% an – wer hätte darauf vor drei Jahren schon gesetzt? In Anbetracht dessen zeigt sich der Markt für Anleihefinanzierung verhältnismäßig robust. Natürlich sind die Kupons neuer Transaktionen gestiegen – was für solche Zeiten vollkommen normal ist. Die Investoren schauen genauer auf die angebotenen Produkte als noch vor einigen Jahren. Ich denke aber, dass die kürzlich erzielten Ergebnisse für Zuversicht sorgen, denkt man an Katjes, Deutsche Rohstoff oder auch an NZWL mit sehr ordentlichen Platzierungsergebnissen. Wir sind aktuell mit hep, ASG und BDT Media am Markt aktiv; Transaktionen, bei denen wir aus guten Gründen selbst in dynamischen Zeiten davon ausgehen dürfen, dass sie erfolgreich am Markt angenommen werden.

BondGuide: Also sitzen Sie anno 2023 abseits globaler Herausforderungen operativ doch relativ fest im Sattel?

Ernst: Nun ja, in diesem Markt gibt es immer auch Herausforderungen – nicht nur die globalen externen Faktoren, sondern auch individuell zu berücksichtigende Bedürfnisse unserer Mandanten. Wir müssen versuchen, trotz dieser Entwicklungen immer das Beste für unsere Emittenten, aber auch für die Investoren herauszuarbeiten. Dabei ist es leider irrelevant, ob wir eine neue, vielversprechende Anleihetransaktion oder eine Gläubigerversammlung begleiten. Ich denke, für alle „Mitstreiter“ in unserem Business gilt: Man sieht sich immer mindestens zweimal! Daher sollte man auch die langfristige Entwicklung nicht außer Acht lassen. Wenn alle an konstruktiven Lösungen interessiert sind, erreichen wir zusammen am meisten.

„Wir müssen versuchen, immer das Beste für unsere Emittenten, aber auch für die Investoren herauszuarbeiten. Dabei ist es irrelevant, ob wir eine neue, vielversprechende Anleihetransaktion oder eine Gläubigerversammlung begleiten.“

BondGuide: Die Mehrheit Ihrer Beratungsmandate zielt auf Emittenten mit operativem Schwerpunkt im ESG Bereich bzw. mit „grünem“ Investment Case – hegen Sie diesbezüglich eine
besondere Profession bzw. liegen Ihnen Nachhaltigkeitsthemen grundsätzlich am Herzen?

Ernst: Wir haben seit unserer Gründung kein Geheimnis daraus gemacht, dass uns das Thema Nachhaltigkeit resp. ESG sehr am Herzen liegt. Ich bin davon überzeugt, dass Transaktionen ohne dieses Merkmal schon bald schwerlich umsetzbar sein werden. Wenn wir den Trend der Investorenbedürfnisse genau betrachten, ist das schon länger eindeutig. Auch Unternehmen der „Old Economy“ müssen sich daher mit diesem Thema beschäftigen. Wir sehen uns als Berater auch in der Rolle, diese Megatrends zu unseren Mandanten zu transportieren und dort
zielgerichtet umzusetzen.

BondGuide: Bedienen wir insofern hier bereits das Trendthema der nächsten Jahre?

Ernst: Wie erwähnt bin ich mir sicher, dass es ohne ESG-Fokus bald nicht mehr gehen wird. Inwiefern dieses Thema aber „das Trendthema“ der nächsten Jahre sein wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich denke sogar eher, dass es in ein paar Jahren völlig normal sein und sich daher eher zu einem Standard entwickeln wird. Ich glaube aber auch, dass bei der Produktentwicklung und Ausgestaltung unserer Anleihen noch weitere Trendthemen vor uns stehen.

„Wir haben seit unserer Gründung kein Geheimnis daraus gemacht, dass uns das Thema Nachhaltigkeit resp. ESG sehr am Herzen liegt.“

BondGuide: Apropos: Welche weiteren Trendthemen, die in künftige Geschäftsmodelle münden werden, haben Sie womöglich schon identifiziert – Stichwort: Digitalisierung, KI etc.?

Ernst: Diese Megatrends sind ja bereits in vollem Gange. Das beste Beispiel ist unsere aktuelle Anleihetransaktion der BDT Media Automation, welche in den letzten beiden Jahren durch den Megatrend Storage Automation (Datenspeicherung) in Zusammenarbeit mit einem der größten Clouddienstleister der Welt ein sehr spürbares Wachstum erlebt. Die Themen Big Data und KI sind schon lange bei uns angekommen und werden mit solchen Transaktionen „made in Germany“ gezielt unterstützt.

BondGuide: Noch einmal zurück zu den wirtschaftlichen Entwicklungen der jüngeren Zeit mit den bekannten Auswirkungen in Bezug auf Preis- und Zinsentwicklungen: Diese bisweilen negativen Faktoren führ(t)en dazu, dass die Geschäftsmodelle einiger KMU-Anleiheemittenten nicht mehr so aufgehen, wie das in normalen Zeiten zu erwarten gewesen wäre – vor allem den nicht nur hiesigen Real-Estate-Sektor hat das zuletzt getroffen. Welche Handlungsempfehlungen können Sie in Schieflage geratenen KMU-Emittenten mit auf den Weg geben?

Ernst: Ein wichtiger Punkt, auf welchen wir nun schon geraume Zeit regelmäßig hinweisen: Es ist sehr wichtig, dass die KMU-Emittenten kommunizieren. Gerade in schwierigen Zeiten benötigen die Investoren dringend Transparenz. Wir ermutigen alle unsere Mandanten zu regelmäßigen und „ungeschönten“ Nachrichten aus dem Unternehmen, um offen und ehrlich mit den Investoren in den Austausch treten zu können. Wie bereits erwähnt, ist es wichtig, sich klarzumachen, dass man Kapital anderer Personen geliehen hat – Banken verlangen solche Meldungen schließlich auch –, und diese Personen sind am Schluss maßgeblich für Folgefinanzierungen, alternative Finanzierungen und schlimmstenfalls auch Gläubigerversammlungen. Ohne Kommunikation gibt es also kein Vertrauen und ohne Vertrauen erfolgt keine Fortsetzung dieser Finanzierungsalternative. Das müssen wir allen Unternehmen, unabhängig ihrer Branche, unbedingt einimpfen.

„Die Themen Big Data und KI sind schon lange bei uns angekommen und werden mit Transaktionen ‚made in Germany‘ gezielt unterstützt.“

BondGuide: Rechnen Sie womöglich selbst mit einem Impact hieraus auf Ihr Geschäftsmodell?

Ernst: Leider ist das bereits der Fall. Wir werden vermehrt in schwierigen Situationen gerufen, um Lösungen u.a. für die aktuelle Liquiditätssituation zu finden, zuweilen auch bei kurzfristig fälligen Anleihen am Kapitalmarkt. Hier ist es, um an das oben Gesagte anzuknüpfen, für die Emittenten essenziell, so früh wie möglich aktiv zu werden, damit wir noch ausreichend Zeit
haben, Lösungen zu schaffen.

BondGuide: Welche grundsätzlichen Fallstricke sollten potenzielle Anleiheemittenten Ihrer Meinung nach unbedingt vermeiden, um im aktuellen Marktumfeld bei etwaigen (Re-)Finanzierungsvorhaben reüssieren zu können?

Ernst: Wir sind der Meinung, dass sich die Voraussetzungen dafür in den letzten Jahren nicht maßgeblich geändert haben. Das Finanzierungsvorhaben sollte auf Fremdkapital strukturiert sein; Investoren achten vermehrt auf die Risiken innerhalb der Bilanz des potenziellen Emittenten. Auch muss jedem Interessenten klar sein, dass das aktuelle Zinsniveau auch bei der Diskussion des Kupons spürbar sein wird. Eine offene und transparente Kommunikation, gleich bei der ersten Bewerbung der Anleihe, steht wie bereits erwähnt absolut im Fokus. Das Geschäftsmodell muss zudem zukunftsfähig und bestenfalls in den letzten drei Jahren robust gewesen sein. Junge, stark wachsende Unternehmen haben es im Gegensatz zu den etablierten
gerade in dynamischen Zeiten deutlich schwerer.

„Ohne Kommunikation gibt es kein Vertrauen und ohne Vertrauen erfolgt keine Fortsetzung dieser Finanzierungsalternative. Das müssen wir allen Unternehmen, unabhängig ihrer Branche, unbedingt einimpfen.“

BondGuide: Lewisfield ist in puncto Financial Advisory im KMU-Anleihebereich weiterhin besonders umtriebig. Zum Abschluss insofern die Fragen: Wie steht es um Ihren aktuellen Projektbestand und welche Erwartungen hegen Sie für das kommende Jahr bzgl. Mittelstandsfinanzierung?

Ernst: Der KMU-Anleihebereich ist noch immer eine echte und sinnvolle Finanzierungsalternative für unsere Kunden. Wenn das Angebot für die Investoren stimmt und die Struktur des
Produkts passt, sehen wir weiterhin eine gute Nachfrage. Gerade in schwierigen Zeiten ist es meiner Meinung nach wichtig, die Fahne für „unseren Markt“ hochzuhalten. Unser Projektbestand ist weiterhin hervorragend gefüllt und wir erwarten auch im kommenden Jahr, vielleicht sogar bei konstanten bis leicht sinkenden
Zinsen, eine gute Nachfrage nach unseren Produkten. Dennoch ist es wichtig für unsere Mandanten, nicht ausschließlich auf dem Kapitalmarkt zu schauen. Eine KMU-Anleihe ist ein wichtiges, aber sicher nicht das einzige Finanzierungsinstrument.

BondGuide: Herr Ernst, besten Dank für Ihre Erläuterungen und Appelle.

Das Interview führte Michael Fuchs

BondGuide_Mittelstandsfinanzierung_2023.pdf