„Im Hier und Jetzt den Grundstein legen“

Die ACTAQUA hat Ende 2020 eine Debütanleihe emittiert, Volumen 15 Mio. EUR – von imug rating als Green Bond attestiert. Über die Chancen und Herausforderungen sprach BondGuide mit Gründer Sascha Müller von der ACTAQUA und Marc Speidel von Lewisfield Deutschland.

BondGuide: Herr Müller, als wir uns zuletzt im Herbst 2021 sprachen, waren Sie recht zuversichtlich für das laufende Geschäftsjahr. Hat sich der Trend wie erhofft fortgesetzt? Müller: Der Trend hat sich ganz klar fortgesetzt, wir können mit dem vergangenen Jahr mehr als zufrieden sein – alle Prognosen wurden punktgenau ge- oder sogar übertroffen. Beim Rohertrag haben wir eine Verdopplung, fast Verdreifachung geschafft. Zwei Dinge sind uns dabei wichtig: ACTAQUA hat gezeigt, dass das Geschäftsmodell sowohl tragfähig als auch skalierbar ist.

„Wir haben gezeigt, dass unser Geschäftsmodell sowohl tragfähig als auch skalierbar ist.“ Sascha Müller

BondGuide: Zwischenzeitlich hat man doch aber von einer Handwerkerklemme gehört … Müller: Davon können wir nicht berichten, auch im schon laufenden Geschäftsjahr sehen wir sie nicht, während wir unseren Wachstumspfad weitergehen. Wir planen mit rund 80% Zuwachs im Rohertrag auf ca. 24 Mio. EUR. Dazu haben wir noch ein neues Produkt namens „PAUL Performance“. BondGuide: Standardprodukt „PAUL“ zur Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden kenne ich bereits von unseren damaligen Gesprächen – was kann PAUL Performance zusätzlich? Müller: In Zeiten steigender Gaspreise steht plötzlich der Energieverbrauch ganz oben auf der Agenda – bzw. die Einsparung beim Energieverbrauch. Zum Heizen benötigen die Menschen fünfmal mehr Energie als für die Trinkwasseranlage, also ist der Hebel beim Heizen am größten. Was mithilfe von PAUL Performance an Kosten eingespart werden kann, teilen wir uns mit dem Vermieter – insofern hat er jeden Grund, seine Haustechnik auf den neuesten Stand zu bringen. Mit Einsatz neuester Technologie sprechen wir von Net Zero, also null CO2-Bilanz eines Bestandsgebäudes. Dabei wird PAUL mit einer Wärmepumpe und Solartechnik kombiniert. Zusätzlich kann Ökostrom zugekauft werden, sollten die PV-Anlagen nicht ausreichen.

BondGuide: Dann war da noch die Bundestagswahl, über deren Ausgang wir seinerzeit erst nur spekulieren konnten. Kommt oder kam schon mit grüner Ampelfarbe aus Ihrer Sicht eine zusätzliche freie Fahrspur ins Spiel, um in der Metapher zu bleiben? Müller: Die Ampelkoalition ist für uns sicherlich die günstigste aller Konstellationen, die man sich hätte ausmalen können. Ich kann Wirtschafts- und Umweltminister Habeck nur beipflichten, wenn geplant ist, auch den Wohnungsbestand zu fördern – immerhin sind das 98%; nur 2% sind Neubauten. Und die zweite Fahrspur, um in Ihrer Metapher zu bleiben, ist natürlich, dass mit dem Ukrainekrieg als Katalysator jedem klar geworden ist, dass wir von fossilen Energieträgern endlich abrücken sollten.

Speidel: Was uns an der ACTAQUA von Anfang an fasziniert hat, ist der Umstand, dass wir hier ein ESG-positives Unternehmen vorfinden, das nicht klassischerweise auf die Energiegewinnung aus Erneuerbaren, also Wind und Solar, abstellt. Der Kapitalbedarf beim Emittenten liegt aufgrund des Geschäftsmodells auf der Hand, die Mittel fließen umgehend in die Ausrüstung weiterer Wohnungsbestände mit dem System PAUL. Ferner gefiel uns die lange Laufzeit bei den ab[1]geschlossenen Verträgen der ACTAQUA mit ihren Kunden, was zu einer ausgezeichneten Planbarkeit von entsprechenden Rückflüssen führt.

BondGuide: Ist es nicht ein gewisses Problem, Investoren das Verhältnis des Anleihevolumens von 15 Mio. EUR zur Umsatzgröße verständlich zu machen?

„In der Natur dieses Geschäftsmodells liegt, dass der Investitionsbedarf hoch ist und damit auch der Finanzierungsbedarf.“- Marc Speidel

Speidel: Nicht ein Problem, aber eine Herausforderung. Nochmals: Was zählt, ist der Rohertrag, denn die Planbarkeit des Cashflows der ACTAQUA geht weit über die Laufzeit des ersten Kapitalmarktprodukts von fünf Jahren hinaus. In der Natur dieses Geschäftsmodells liegt, dass der Investitionsbedarf hoch ist und damit auch der Finanzierungsbedarf. Es besteht aktuell Kapitalbedarf, um in allen fortfolgenden Jahren vom Wachstum und dem heutigen Auftragsbestand zu profitieren. Ich würde die ACTAQUA von der Planbarkeit laufender Erträge und der Ertragskraft am ehesten mit einem Immobilienbestandshalter vergleichen. Müller: Ich denke, hierbei muss man auch berücksichtigen, was die ACTAQUA in den kommenden Jahren alles liefern kann, wofür im Hier und Jetzt der Grundstein gelegt wird. Wir investieren in einer Größenordnung von 20% bis 25% in Forschung und Entwicklung, dieses Jahr eventuell sogar bis 30%. Unser Plan für die Unternehmensentwicklung reicht derzeit bis 2030.

Speidel: Auf Basis nachvollziehbarer Prognosen sprechen wir von rund 70 Mio. EUR Umsatz anno 2026, also Jahr eins nach Ende der Laufzeit der Anleihe von 2020. Es ist klar, dass das Verhältnis von Umsatzgröße und Anleihevolumen spätestens dann mehr als komfortabel passt – aber es muss eben jetzt vorfinanziert werden, um dahin zu kommen. Pro 1 EUR Vorfinanzierung generiert ACTAQUA rund 10 EUR laufende Erträge. BondGuide: Der seit Ende 2020 platzierte Bond hat einen Kupon von 7,0%. Wäre für ein stark wachsendes Unter[1]nehmen nicht auch eine Wandelanleihe infrage gekommen – passende Rechtsform vorausgesetzt?

„Eine Wandelanleihe könnte künftig ein probates Kapitalmarktprodukt für uns darstellen.“ – Sascha Müller

Müller: Was Sie möglicherweise noch nicht wissen: Wir haben just vor einer Woche die Umwandlung der GmbH in eine Aktiengesellschaft umgesetzt – insofern wäre die passende Rechtsform inzwischen gegeben. Bislang war sie es nicht, aber künftig könnte eine Wandelanleihe ein probates Kapitalmarktprodukt für uns darstellen.

BondGuide: Die Anleihe 2020/25 verfügt über ein imug rating als Green Bond. Vielleicht könnten Sie kurz erläutern, ob und warum eine derartige Einstufung für Investoren möglicherweise wichtig war oder ist. Müller: Eines ist doch klar: Die Umsätze, die wir generieren, sind grün, da sie helfen, CO2 einzusparen. Dieses Thema hilft nicht nur dem Vermieter, der Auflagen zu erfüllen hat in dieser Beziehung; sie helfen auch Investoren, die ebenfalls Richtlinien befolgen müssen, wo sie überhaupt investieren dürfen – oder wollen. Und beide Auflagen werden strenger und strenger in die Zukunft gedacht. Speidel: Dieser Trend ist nicht mehr aufzuhalten, und er wird auch auf KMU-Anleihen von den größeren Bonds von oben herunterschwappen. Teilweise dürfen Investoren nur noch anlegen, wenn das Produkt „ESG-linked“ ist oder eine Second Party Opinion wie beispielsweise von imug vorliegt. Der Weg der ACTAQUA, hier eine klare Bescheinigung zur CO2-, Wasser- und Energieeinsparung und damit den Status als Green Bond attestieren zu lassen, ist vollkommen richtig. BondGuide: ESG wird häufig stark reduziert auf das E für Environmental, also Umwelt. Die Fälle Deutsche Lichtmiete oder auch Wirecard haben hingegen gezeigt, wie wichtig auch das G für Governance sein kann. Wie ist Ihrer beider Meinung dazu?

Müller: Das ist eine sehr berechtigte Frage. Wir haben unsererseits einen General Counsel – einen internen Rechtsanwalt – eingestellt, der sich dieses Themas bei uns annehmen wird. Das ist eine der Leitplanken, die wir unbedingt erfüllen müssen und auch erfüllen möchten. Speidel: Uns war immer klar, dass ein Unternehmen auch ohne jedes ESG-Attest seine entsprechenden Auflagen als Emittent eines Kapitalmarktprodukts einzuhalten hat: Transparenzpflichten, Kommunikationspflichten und Covenants der Anleihe sind selbstverständlich für Kapitalgeber genauso wichtig wie das Environmental. Wir achten zusätzlich darauf, dass wir unsere Emittenten in ihrer Entwicklung eng begleiten, wir zudem stets zeitnah und proaktiv mit ihnen über Neuigkeiten und auch Herausforderungen sprechen. Wenn ich mir erlauben darf, bei der ACTAQUA konkret: Herr Müller hat das bisher ganz hervorragend gemacht.

BondGuide: Herr Müller, Herr Speidel, ganz herzlichen Dank an Sie beide für sowohl das Update als auch die zusätzlichen Einblicke! Das Interview führte Falko Bozicevic.

Quelle: BondGuide Jahresausgabe „Green & Sustainable Finance 2022“, S. 66-68